Gewöhnliche Seepocke (Semibalanus balanoides)

EN: Acorn barnacle NL: Gewone zeepok DK: Lavvandsrur
Kurzbeschreibung Häufige Seepocke der oberen Wattküste
Kindersteckbrief Anstelle von Beinen und Scheren besitzen die Seepocken fächerförmige „Rankenfüße“, mit denen sie feine Schwebstoffe und Planktonorganismen aus dem Seewasser filtern. Selbst in der Spritzwasserzone, wo nur wenige Stunden täglich die Gischt anbrandet, können manche Seepocken überleben, bei uns vor allem die Sternseepocke. Solange sie trocken liegen, können Seepocken Luftsauerstoff atmen. Erst bei extremer Austrocknung verschließen sie mit ihrem vierteiligen Deckel das Gehäuse. Feinde der Seepocken sind Krebse, Seeigel und räuberische Schnecken. In Eiswintern sind mitunter Meerstrandläufer und Steinwälzer zu beobachten, wie sie Seepocken von Steinen picken. Einzelne Seepockenarten, besonders die Australische Seepocke, sind auch frost-empfindlich und sterben in Eiswintern ab.
Fundhäufigkeit 83 Fundmeldungen , Verbreitungskarte
Status
heimisch
Klimaanspruch
wohl wenig empfindlich Die Art ist vermutlich gegen Temperaturänderungen wenig empfindlich
Aussehen
6 Wandplatten, rundlich, ohne Bodenplatte Typische kraterförmige Seepockengestalt, meist mit leicht gefurchten Außenwänden. 6 verschieden große Wandplatten, 2 Paar Deckelplatten. Das lebende Tier besitzt 6 Paar gefiederte Rankenfüße, die unter Wasser fächelnde Bewegungen durchführen. Die Art ist von ähnlichen Arten (Gattung Balanus) daran zu unterscheiden, daß sie keine kalkige Bodenplatte besitzt. Von der ebenfalls ähnlichen Sternseepocke unterscheidet sich die Gewöhnliche Seepocke durch doppelwandige Wandplatten mit feinen Längsverstrebungen und außerdem durch gerade Nähte zwischen den vorderen und hinteren Deckelplatten (ohne S-Kurve).
Lebensweise Fällt bei Sonnenschein ein Schatten auf eine dicht mit Seepocken bewachsene Fläche, so entsteht ein leises Knistern. Dies beruht auf ein Schreckbewegung der Seepocken, die ihre spaltbreit zur Atmung geöffneten Schalen schließen. Die Widerstandsfähigkeit der Seepockenarten gegen Frost und Austrocknung ist unterschiedlich ausgeprägt. Im Wattenmeer nimmt die Gewöhnliche Seepocke in beiden "Disziplinen" den ersten Platz ein. Da Seepocken zur Fortpflanzung in der Nachbarschaft artgleicher Pocken sitzen müssen, üben sie eine Lockwirkung auf die Schwimmlarven aus. Ein mit Seepockenextrakt beschmierter Fels veranlasst im Experiment viel mehr Larven der betreffenden Art zur Ansiedlung an als ein unbehandelter Stein. Wo Seepocken in großen Dichten wachsen, kommt es zu Raumkonkurrenz. Die Gewöhnliche Seepocke wächst in diesem Fall turmförmig in die Höhe (Säulenwachstum). Andere Arten wachsen auch auf einander (Buckelwachstum).
Nahrung Seepocken sind Planktonfresser und filtrieren das Wasser (suspension feeding). Sowohl einzellige Algen als auch Planktontierchen, selbst arteigene Larven, werden mit den Rankenfüßen aus dem Wasser herausgefächelt.
Feinde In der Nahrungskette im Watt spielen Seepocken keine allzu große Rolle. Sie werden gelegentlich von Vögeln gefressen (Steinwälzer, Meerstrandläufer), unter den Wirbellosen spielen vor allem Krebse, Seesterne und Seeigel eine Rolle als Fressfeinde. An Felsküsten stellt die Purpurschnecke einen wesentlichen Feind der Seepocken dar.
Fortpflanzung Wie fast alle Krebse besitzen Seepocken ein frei schwimmendes Larvenstadium. Die Paarung der zwittrigen Tiere erfolgt mit einem langen Penis, der mehr als doppelte Körperlänge hat. Die Abgabe der Eier findet hauptsächlich im Winter statt, setzt sich aber bis weit in den Sommer fort. Aus den Eiern schlüpfen einäugige "Nauplius"-Larven mit Ruderfüßen, wie sie bei vielen Krebsarten auftreten. Diese verwandeln sich in eine zweite Larvenform (Cypris) und setzen sich dann auf einem geeigneten Untergrund fest. Eine Zementdrüse heftet das Tier mit dem Kopf voran fest, und es bleibt lebenslang an dieser Stelle sitzen.
Nutzung Seepocken spielen als Bewuchs an Schiffsrümpfen ("Fouling") eine wesentliche Rolle in der Seefahrt und im Sportbootverkehr. Ein mit Seepocken bewachsener Schiffsrumpf kann den Treibstoffverbrauch um 15 % erhöhen bzw. die Geschwindigkeit entsprechend drosseln. Daher werden Boote mit Antifoulingfarben gestrichen, die kontinuierlich Gift abgeben, insbesondere Tributylzinn (TBT). Dieses Gift hindert Muscheln und Schnecken an der Fortpflanzung (s. Wellhornschnecke) und hat weltweit an allen Schiffahrtsrouten fatale Langzeitwirkungen auf die Unterwasserwelt. Sportboote unter 25 m Länge dürfen daher nicht mehr mit TBT-haltigen Antifoulings behandelt werden, aber das Problem ist noch lange nicht gelöst.
Hätten Sie gedacht, dass...
... das "Kielholen" als Bestrafung in der Seefahrt auch deshalb so grausam war, weil die Opfer sich an den Seepocken unter dem Schiff schwere Schnittwunden zuzogen?
  • ... die Wände der Seepockengehäuse aus 4 oder 6 Platten bestehen, die an der unteren Kante durch Kalkanlagerung vergrößert werden?
  • ... man unsere Seepockenarten allein an der Form ihrer Deckelklappen unterscheiden kann?
  • ... die Seepocken sich innerhalb des Gehäuses wie normale Krebse noch regelmäßig häuten müssen?
  • ... Seepocken Zwitter sind, sich aber nicht selbst befruchten können? Ihr Penis ist fast dreimal so lang wie ihr Schalendurchmesser.
  • ... die Brackwasserseepocke nicht nur in der Ostsee, sondern sogar im Mittellandkanal lebt, wo er durch eingeleitetes Weserwasser versalzen ist?
  • ... die Ansiedlung von Seepocken an Schiffen stark bremsend wirkt und deshalb mit hochgiftigen „Antifoulinganstrichen“ bekämpft wird, was zum lokalen Aussterben vieler Meeresschnecken führt?
  • ... grasende Strandschnecken im Frühjahr so viele frisch angesiedelte Seepocken wegschubsen ("bulldozern") können, dass Muscheln frei von Seepockenbewuchs bleiben können?
Klassifikation Rankenfußkrebse
Gewöhnliche Seepocke in der WoRMS-Datenbank
Steckbriefbild:

Bildinformationen: Gewöhnliche Seepocke

Autoren Rainer Borcherding
Lizenzbesitzer Schutzstation Wattenmeer
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Lizenz cc-by-sa 3.0
Weitere Bilder  
Hätten Sie gedacht, dass....
... es im Wattenmeer vier, in Deutschland insgesamt sieben Seepockenarten gibt?