Wattschnecke (Peringia ulvae)

EN: Laver spire shell NL: Wadslakje; brakwaterhoorntje DK: Stor dyndsnegl
Kurzbeschreibung Häufigster Mini-Schleimer der Wattflächen
Teilsteckbriefe Löcher Wattschnecken
Kriechspur Wattschnecken
Fundhäufigkeit 118 Fundmeldungen , Verbreitungskarte
Verbreitung P. ulvae ist im gesamten Nordostatlantik von Nord-Norwegen bis Marokko verbreitet.
Status
heimisch
Klimaanspruch
kälteliebende Art gehört zu den kälteliebenden Arten, bevorzugt Wassertemperaturen zwischen 7 und 10 °C.
Größe und Alter
1 - 3 (selten 6)mm hoch; bis 1 Jahr In der Natur werden Wattschnecken kaum älter als zwei Jahre, im Labor können sie hingegen bis zu 6 Jahre erreichen. Die Gehäuse werden doppelt so lang wie breit, die Größten können bis zu 6 mm Länge erreichen.
Aussehen
Winziges, kegelförmiges, gewundenes Gehäuse, Länge/Breite 2:1, sehr große erste Windung, dunkle „Lederhaut“, keine Außenskulptur. Auf dem Watt geht man oft über unzählige, scheinbar leblose dunkle Krümel hinweg. Sieht man näher hin, entdeckt man, dass viele von ihnen lange Spuren auf dem Watt ziehen. Auf der Fingerkuppe entpuppen sich die „Krümel“ als 3 – 6 mm lange Wattschnecken. Die Gehäuse der Tierchen sind spitz und kegelförmig, wie winzige Eistütchen. Sie sind ungefähr doppelt so lang wie breit und haben sechs bis sieben flache oder nur leicht gewölbte Windungen, von denen die Letzte mehr als 50% der Gesamtgehäuselänge ausmacht. Besonders bei jüngeren Schnecken ist diese Windung an der breitesten Stelle leicht abgewinkel. Die Spitze (Apex) der „Eistütchen“ ist abgerundet. Die Schalen einiger Exemplare sind so dünn, dass Licht hindurchscheint, die Oberfläche ist glatt und glänzend, nur haarfeine Wachstumslinien sind zu erkennen, die vorhergehende Positionen der äußeren Lippe (äußere Mündungsseite) darstellen. Die Mündung ist etwa birnenförmig, die äußere Lippe bildet mit der letzten Windung eine Tangente und nach unten hin mit dem inneren Mündungssaum eine Art breite „Tülle“. Die innere Lippe ist etwas über die Windung gewölbt, so dass nur ein schmaler umbilikaler Spalt zu sehen ist (Umbilicus, Nabel = die Öffnung der Hohlspindel, um die sich das Gehäuse windet). Die Gehäuse lebender Schnecken sind mit einer dunkel-braunen, hornfarbenen „Lederhaut“ (Periostracum) überzogen, die eigentliche Schale ist aber hell-weiß. Die Tiere selbst haben ein langes, zweigeteiltes Schnäuzchen mit einem dunklen Querband an der Spitze und einem dreieckigen Fleck zwischen den langen, schlanken Kopf-Fühlern, an deren Basis zwei knubbelige Augen sitzen. Die Fühler sind hell sandfarben, wie der übrige Körper, mit einem braunen Fleck in der Nähe der Spitzen. Ein einzelner, kleiner Tast-Fühler entspringt der Mantelbucht an der Stelle, wo äußere Lippe und die erste Windung aufeinander stoßen. Die männlichen Tiere haben ein langes, leicht sichelförmiges, spitz zulaufendes Geschlechtsorgan.
Lebensweise
je nach Tide eingegraben im Boden oder umherkriechend Wattschencken nutzen überflutete oder noch feuchte Wattflächen zur Nahrungssuche. Bei anhaltender Ebbe und beginnender Austrocknung graben sie sich bis zu 1 mm tief ein, was charakteristische Löcher hinterlässt. Bei Flut kommen sie wieder aus dem Boden heraus. Durch einen besonderen "Trick" ist die Wattschnecke sehr mobil: sie heftet sich bei ruhigem Wetter unter die Wasseroberfläche. So können mit der auflaufenden Flut Millionen von Schnecken über Hunderte von Metern, selbst über Kilometer verfrachtet werden. Bei aufkommender Wellenbewegung sinken zu Boden. So können kurzfristig sehr große Schneckenmengen überall im Watt auftauchen. Stranden sie in dicken Schichten am Ufer, sterben sie oft massenhaft ab. "Zu Fuß" kriechen die Schnecken in Schlängellinien mit einer Geschwindigkeit von maximal 2 cm pro Minute über den Schlick.
Nahrung
Bakterien, einzellige Kieselalgen Die Wattschnecke hat eine Raspelzunge (Radula) mit 50 – 60 Reihen von jeweils 7 Zähnen. Mit dieser Zunge weidet die Schnecke auf Tangen, Wasserpflanzen und Wattflächen den Rasen aus Bakterien und einzelligen Kieselalgen ab. Seegraswiesen könnten ohne die Wattschnecken kaum existieren, da die Blätter des Seegrases sonst innerhalb kurzer Zeit von Kieselalgen überwuchert würden, die dem Gras Licht und Nährstoffe nähmen. Auf weichem Wattboden frisst die Schnecke als "Deposit‑feeder" alles, was sich auf der Bodenoberfläche abgesetzt hat. Das sind Schlammpartikel, mikroskopische Kieselalgen und in großer Menge auch die Kotballen der eigenen Art. Die nach wenigen Tagen darin wachsenden Bakterien sind eine wichtige Nahrungsquelle. Während der Drift an der Wasseroberfläche kann die Wattschnecke außerdem den feinen organischen Film an der Wasseroberfläche fressen
Feinde
Krebse, Fische und Vögel Durch ihre schiere Menge sind die winzigen Schnecken ein wichtiges Glied in der Nahrungskette des Wattenmeers. Obwohl sie meist nur 2% der Biomasse der Wattbodentiere umfassen, können sie mit ihrer hohen Vermehrungsrate 80% der Produktion der Bodentiere bilden und sind so wichtige Nahrung für Krebse, Fische und Vögel. So kann z.B. die Brandgans mit Seitwärtsbewegungen ihres Schnabels große Mengen von Wattschnecken aus der obersten Bodenschicht aufnehmen. Auch Regenpfeifer und Strandläufer sowie Garnelen und junge Strandkrabben verzehren große Mengen der Schnecken.
Fortpflanzung
getrenntgeschlechtlich, Eiablage mit kurzem planktischem Larvenstadium Wattschnecken sind getrenntgeschlechtlich, es gibt also männliche und weibliche Schnecken. Nach der inneren Befruchtung kleben die Weibchen ihre Eiballen, die mit einer schützenden Schicht aus Sandkörnern bedeckt sind und je 4 – 8 Eier umfassen, an Steine oder - wo diese fehlen - meist auf die Gehäuse von ArtgenossInnen. Jedes Weibchen legt insgesamt etwa 300 Eier. Zur Hauptlaichzeit im Mai trägt fast jede Wattschnecke die Gelege von Artgenossinnen spazieren. Nach 10 bis 24 Tagen schlüpfen die Larven, die etwa 10 Tage im Plankton umher schwimmen (Veliger‑Larve mit rot gepunkteten "Segeln"). Schon beim Übergang zum Bodenleben ist nur noch weniger als ein Fünftel der Nachkommenschaft am Leben. Trotzdem wurden schon bis zu 1 Million Jungschnecken pro m2 Wattboden gezählt! Bis zum Winter verdoppeln die Jungschnecken ihr Gewicht, magern aber im Winter wieder um 50 % ab. Nach der Fortpflanzungsperiode im folgenden Sommer sterben vermutlich alle alten Wattschnecken ab.
Nutzung Für den Menschen spielt die Wattschnecke nur insofern eine indirekte Rolle, als ihre Kotpillen und der beim Kriechen abgegebene Schleim die Wattoberfläche festigen und die Sedimentation beschleunigen.
Hätten Sie gedacht, dass...
… dass sich vor etwa 15 Mio. Jahren Gehäuse der Gattung Peringia in brackigen Seen in dicken Schichten ablagerten, aus denen sich dann Kalkstein bildete? In der Gegend um Mainz und Wiesbaden kann man an manchen Gebäuden noch immer die Peringia-Gehäuse im Kalkstein erkennen.
Klassifikation Schnecken
Wattschnecke in der WoRMS-Datenbank
Quellen
Schutzstation Wattenmeer: Wattschnecke, Tier des Monats, April, 2004. http://species-identification.org/species.php?species_group=mollusca&id=734&menuentry=soorten
Steckbriefbild:

Bildinformationen: Wattschnecke

Autoren Rainer Borcherding
Lizenzbesitzer Schutzstation Wattenmeer
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Lizenz cc-by-sa 3.0
Weitere Bilder  
Hätten Sie gedacht, dass....
… dass Wattschnecken durch die Ausscheidung von Kotpillen und die Bildung von Schleim den Boden festigen?