Rote Bohne/Baltische Plattmuschel (Macoma balthica)

EN: Baltic tellin NL: Nonnetje DK: Østersømusling
Kurzbeschreibung Bunte kleine Wattmuschel mit zahlreichen Feinden
Fundhäufigkeit 303 Fundmeldungen , Verbreitungskarte
Verbreitung
Nordsee, Ostsee, Atlantik Die Rote Bohne lebt in den gemäßigten Breiten auf der gesamten Nordhalbkugel. . From the Beaufort Sea, Alaska, south to San Francisco Bay, California. Also occurs throughout the Bering and Okhotsk Seas to Japan. Off northern Europe, occurs in the North Sea (England, Norway and Denmark), Baltic Sea, Barents Sea, White Sea, in the waters of the Faroe Islands north to Iceland (but no records from Greenland), and as far south as Spain. On the western Atlantic coast, present from Labrador to Georgia (Bernard 1979, Coan et al. 2000, Vainola 2003).
Status
heimisch
Klimaanspruch
kälteliebende Art Kann kalte Wintertemperaturen gut verkraften, oft steigt die Dichte der Tiere nach kalten Wintern an. Durch die Erwärmung der Nordsee erfolgt die Reproduktion immer früher im Jahr und die Mengen gehen zurück. Die Art toleriert Temperaturen von -0.3 - 24.7°C. Im Somer geht sie in eine "Hitzepause" und stellt ihre Filtertätigkeit ein.
Größe und Alter
bis 2,5 cm, maximal 25 Jahre Die Muschel wird bis 2,5 cm lang und ist ab 3-6 mm geschlechtsreif, sie wächst etwa 3mm/Jahr. Im Alter verlangsamt sich das Wachstum wegen der kurzen Wachstumsperiode stark, was der Muschel im Gegenzug ein recht langes Leben beschert: im Watt bis 7 Jahre, in der Nordsee bis 25 Jahre!
Aussehen
Etwas gewölbt, fast kreisrund, zwei Ecken Flach gewölbte Muschel mit rundem Vorder- und zugespitztem Hinterende. Schloß sehr klein. Die farbigen Schalen sind außen oft kontrastreich gebändert. Innen weiß, gelb oder rot, außen gelb, rot, grün, braun oder bläulich (durch Eisensulfide). In Frankreich gibt es viele gelbe, in Norwegen viele rote Schalen, in Brackwasser sind sie meist weiß.
Lebensweise
Die Muschel lebt knapp unter dem Meeresboden eingegraben und steht über die beiden Siphone mit dem Wasser in Kontakt. Durch den Einströmsipho saugt sie Wasser und Nahrung ein und filtert die Nahrungspartikel mit den Kiemen aus dem Wasser. Sie kann einerseits Plankton aus der Wassersäule filtert, aber auch abgestorbenes organisches Material vom Meeresboden aufpipettieren. Durch den kräftigen Fuß kann die Muschel sich in den weichen Sand oder Schlick eingegraben. Zwischen 200 und 2000 Rote Bohnen können in einem m2 Wattboden gefunden werden. Jungtiere stecken in 2 - 3 cm Tiefe senkrecht im Boden, Alttiere leben in 5 - 8 cm Tiefe und liegen waagerecht auf der rechten Seite. Die Muscheln wachsen nur bei Bodentemperaturen unter 15° C, also von März, wenn sie oberflächennah sitzen, bis Juni/Juli. Zu diesem Zeitpunkt erreichen sie ihr Gewichtsmaximum und magern dann ab, auch während der Winterruhe. Der Ausströmsipho der Muschel entlässt das Atemwasser und die Ausscheidungsprodukte noch unter der Bodenoberfläche, so dass sich hier ein Kleinstlebensraum mit spezieller Mikrofauna entwickelt. Alljährlich im Winter wandern Millionen von diesjährigen Jungmuscheln aus dem Wattenmeer in die Nordsee hinaus. Sie driften mit dem Ebbstrom, indem sie ein Schleimband absondern, das von der Strömung erfasst wird und die Muscheln frei im Wasser mitträgt. Bei erwachsenen Roten Bohnen ist eine Wanderung im Boden von unten nach oben festzustellen: im Winter sitzen sie 10 cm tief, im Frühjahr 3 cm. Mitunter sind Kriechspuren lebender Roter Bohnen auf der Wattoberfläche zu sehen. Sie verlaufen meist als halbkreisförmige Furchen 10 - 20 cm weit. Möglicherweise suchen die Muscheln dabei nahrhaftere Wohnorte, vielleicht versuchen sie auch nur, aus dem Sackungsbereich eines Wattwurmtrichters zu entfliehen. Sowohl beim horizontalen als auch beim senkrechten Graben streckt die Muschel an der Vorderseite ihren Grabfuß aus dem Gehäuse, drückt ihn in den Boden, verbreitert sein Ende als Anker und zieht sich hinterher.
Nahrung
Die Nahrung wird über den Einströmsipho aufgenommen, der vom Ausströmsipho getrennt und etwas länger ist. Die Rote Bohne saugt mit ihrem dünnen Einströmsipho sowohl planktonhaltiges Wasser ein (Filtrierer) als auch feinen Schlick (Pipettierer). Der Einströmsipho wird beim Pipettieren deutlich länger als der Ausströmsipho vorgestreckt und saugt wie ein Staubsauger organische Partikel von der Bodenoberfläche ein. Die Muschel kann auch recht große Nahrungsbrocken verdauen, denn sie besitzt einen muskulösen Kaumagen.
Feinde
Knutts, Möwen, Brandgänse, Eiderenten, Austernfischer, Kiebitze, Rotschenkel, Flundern, Nordseegarnelen, Saugwurm Lacunovermis macomae. Plattfische, Krabben und Garnelen fressen gerne die Spihone, wenn die Muschel sie nicht schnell genug zurück zieht. Sie wird durch die Schleppnetzfischerei zerstört. Aufgrund ihrer großflächigen Häufigkeit ist die Rote Bohne eines der fünf wichtigsten wirbellosen Tiere im Watt. Bedeutende Fressfeinde sind Strandkrabbe (bis 2 cm Tiefe), Knutt (bis 3 cm Tiefe) und Austernfischer (bis 8 cm Tiefe). Daneben spielen auch junge Schollen eine wichtige Rolle: sie beißen bei Flut die (später nachwachsenden) Siphone der Muscheln ab. Jede Rote Bohne im Watt wird mehrmals täglich in ihren Sipho gezwickt! Erstaunlicherweise wurde in Versuchen festgestellt, dass die Muscheln sich nach Schollen-Angriffen tiefer eingraben, anstatt nur ihre Siphone einzuziehen. Aufgrund des starken Feinddrucks sterben im Watt jährlich etwa die Hälfte der erwachsenen Roten Bohnen, bei den Jungtieren noch viel mehr. Außerhalb des Wattenmeeres ist die Rote Bohne eine wichtige Nahrung für überwinternde Trauerenten. Ein großer Teil der besonders oberflächennah sitzenden Plattmuscheln ist von parasitischen Saugwurmlarven befallen, die in Entenmägen "hineinwollen". Starker Befall mit Wurmlarven löst Sauerstoffmangel bei den Muscheln aus, wodurch sie indirekt ein leichteres Opfer von Tauchenten werden.
Fortpflanzung Im Mai, vereinzelt auch im September, laicht die Rote Bohne. Ihre Larven lassen sich in großer Zahl nach einigen Wochen in Schlickwattbereichen nieder, wo mehrere 1000 pro m2 gefunden werden können. Im Winter wandert ein großer Teil der nun 2 - 5 mm großen Jungtiere ab.
Nutzung Wegen ihrer geringen Größe ist die Rote Bohne wirtschaftlich uninteressant. Sie stellt jedoch eine wesentliche Nahrungsquelle für sehr viele Rastvögel im Wattenmeer dar, die große Mengen des Muschelbestandes verzehren.
Hätten Sie gedacht, dass...
... die Rote Bohne wegen ihrer Häufigkeit eines der fünf wichtigsten wirbellosen Tiere im Watt ist?
  • ... 200 bis 2000 Rote Bohnen pro m2 Watt leben?
  • ... ihre Todfeinde sie bis in unterschiedliche Tiefen erreichen können: Strandkrabben bis 2 cm, Knutts bis 3 cm und Austernfischer bis 8 cm?
  • ... Rote Bohnen nur bei Temperaturen unter 15° C aktiv sind und wachsen?
  • ... sie deshalb von 3 cm Tiefe im März auf 10 cm im Juni hinabsteigen, ehe sie in eine 8-monatige Ruhepause übergehen, in der sie stark abmagern?
  • ... die Rote Bohne auch grobe Nahrungspartikel verdauen kann, da sie einen Kaumagen besitzt?
  • ... parasitische Saugwurmlarven der Muschel Atemnot bereiten können, was sie aus dem Boden treibt - genau vor die Schnäbel der Vögel, in deren Mägen die Saugwürmer „hinein wollen“?
  • ... manche Vögel deshalb „leichte Beute“ meiden?
Klassifikation Muscheln
Rote Bohne/Baltische Plattmuschel in der WoRMS-Datenbank
Steckbriefbild:

Bildinformationen: Rote Bohne/Baltische Plattmuschel

Autoren Rainer Borcherding
Lizenzbesitzer Schutzstation Wattenmeer
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Lizenz cc-by-sa 3.0
Weitere Bilder  
Hätten Sie gedacht, dass....
... dass die gelbe und rote Schalenfärbung vermutlich aus Carotinen aus gefressenen Planktonalgen stammt?